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San 03

Sanitätswachdienst im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht von Veranstaltern

1 Abgrenzung

Der Sanitätswachdienst des Deutschen Roten Kreuzes erfolgt in der Regel auf der Grundlage von Gefährdungsbeurteilungen (z.B. Leitlinien für Sanitätswachdienste, Maurer-Algorithmus) in verschiedenen Stufen. Häufig ergeben diese Gefährdungsbeurteilungen, dass ein sog. „Sanitätswachdienst Stufe 0“ vorliegt, das heißt, dass besondere Gefährdungen nicht zu erwarten sind; man spricht dann landläufig von der „Veranstaltungsbetreuung“. Gleichwohl können sich auch bei solchen Veranstaltungen bestimmte Situationen ergeben, die eine medizinische Hilfe bei den Teilnehmern erforderlich machen. Verantwortungsbewusste Veranstalter treffen auch für solche Situationen Vorsorge, indem sie Sanitätskräfte und einen Sanitätswachdienst im Rahmen ihrer Verkehrssicherungspflicht einplanen und vorhalten.

2 Verkehrssicherungspflicht

Verkehrssicherungspflichten1) sind nicht gesetzlich geregelt, sie sind von der Rechtsprechung entwickelt worden. Hiernach ist verkehrssicherungspflichtig, wer eine Gefahrenquelle schafft oder unterhält oder eine Sache beherrscht, die für Dritte gefährlich werden kann, oder wer gefährliche Sachen dem allgemeinen Verkehr aussetzt oder in Verkehr bringt. Dabei wird von dem Verkehrssicherungspflichtigen nicht erwartet, dass er die Gefahrenquelle gegen alle denkbaren Schadensfälle absichert, aber er muss alle Vorkehrungen gegen voraussehbare Gefahren treffen, die durch eine bestimmungsgemäße Benutzung eintreten können. Anders also als bei der Gefährdungsbeurteilung von Großveranstaltungen, die insbesondere auf mögliche außergewöhnliche Situationen abhebt, steht im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht die bestimmungsgemäße Benutzung im Vordergrund. Die Verkehrssicherungspflicht betrifft demzufolge nicht die Bewältigung von Situationen, die durch außergewöhnliche, insbesondere vom Veranstalter nicht zu vertretende Ereignisse eintreten, sondern die ganz alltägliche Gefahr, die Jedermann treffen kann alleine durch die Tatsache, dass er eine bestimmte Tätigkeit durchführt oder sich an einem bestimmten, an sich nicht besonders gefährdenden Ort aufhält.

Besondere Regelungen für den Umfang der Verkehrssicherungspflicht und die zu treffenden Vorsorgemaßnahmen bestehen zunächst einmal nicht; hier wird vielmehr auf „das Übliche“ abgehoben. Für Gewerbebetriebe gilt jedoch insofern eine Besonderheit: hier wird der Inhalt der zu beachtenden Verkehrssicherungspflichten durch die Unfallverhütungsvorschriften (UVV) der gewerblichen Berufsgenossenschaften oder der Unfallkassen der öffentlichen Hand konkretisiert. Da eine Vielzahl von Sanitätswachdiensten des DRK aber gerade auch bei gewerblichen Veranstaltungen (Volksfeste, Sportveranstaltungen, Festivals, Zeltfeste etc.) angefordert wird, erlangen diese Unfallverhütungsvorschriften Bedeutung auch für die Bemessung des Sanitätswachdienstes; für andere Veranstaltungen können sie als Anhalt2) herangezogen werden.

Zu beachten ist: die UVV’en gelten immer gegenüber dem Veranstalter. Die Verkehrssicherungspflicht kann zwar auch auf Dritte übertragen werden, der ursprünglich Verkehrssicherungspflichtige behält aber die Kontrollpflicht (BGH 22.01.2008 - VI ZR 126/07). Dies folgt dem allgemeinen Grundsatz, dass nur Aufgaben, aber nicht Verantwortung delegiert werden können.

3 Bemessung von Sanitätswachdiensten im Rahmen der Verkehrssicherungspflicht

Eigenständige Regelungen zu Sanitätswachdiensten gibt es derzeit in den UVV’en nicht. Die bei allen Berufsgenossenschaften und Unfallkassen geltende „Berufsgenossenschaftliche Vorschrift A1“ (BGV A1) legt in ihrem § 2 fest:

„(1) Der Unternehmer hat die erforderlichen Maßnahmen […] für eine wirksame Erste Hilfe zu treffen.“

Die gleiche UVV fordert weiterhin in ihrem § 24:

„(1) Der Unternehmer hat dafür zu sorgen, dass zur Ersten Hilfe und zur Rettung aus Gefahr die erforderlichen Einrichtungen und Sachmittel sowie das erforderliche Personal zur Verfügung stehen.

(2) Der Unternehmer hat dafür zu sorgen, dass nach einem Unfall unverzüglich Erste Hilfe geleistet und eine erforderliche ärztliche Versorgung veranlasst wird.

(3) Der Unternehmer hat dafür zu sorgen, dass Verletzte sachkundig transportiert werden.

[…]

(6) Der Unternehmer hat dafür zu sorgen, dass jede Erste-Hilfe-Leistung dokumentiert und diese Dokumentation fünf Jahre lang verfügbar gehalten wird. Die Dokumente sind vertraulich zu behandeln.“

Zur Bemessung der betrieblichen Ersten Hilfe und des Sanitätsdienstes fordert schließlich § 27 der BGV A1:

„(1) Der Unternehmer hat dafür zu sorgen, dass mindestens ein Betriebssanitäter zur Verfügung steht, wenn

[…]

(3) Der Unternehmer darf als Betriebssanitäter nur Personen einsetzen, die von Stellen ausgebildet worden sind, welche von der Berufsgenossenschaft in personeller, sachlicher und organisatorischer Hinsicht als geeignet beurteilt werden.“

„Versicherte Personen“ im Sinne der Unfallverhütungsvorschriften sind hier zunächst die Beschäftigten des Unternehmers. Unklar bleibt damit, wie die Teilnehmer an Veranstaltungen des Unternehmers hier zu bewerten sind - schließlich sind sie keine Beschäftigten des Unternehmers und unterliegen auch nicht dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Diese Frage lässt sich aus dem Sinn und dem Wortlaut der Unfallverhütungsvorschriften nicht eindeutig auflösen; lediglich die Verwaltungs-Berufsgenossenschaft, die für die gesetzliche Unfallversicherung bei den öff.-rechtl. Religionsgemeinschaften und Kirchen zuständig ist, rät hierzu an, bei der Bemessung der Anzahl der Ersthelfer und des Sanitätswachdienstes auch die „Teilnehmer“ an Veranstaltungen mit zu berücksichtigen.3) Ein verantwortungsbewusster Veranstalter wird jedoch bei der Planung seiner Veranstaltung die Besucher mit in seine Kalkulationen einbeziehen.

4 Planungsgrundsätze

Aus dem Vorgesagten ergeben sich daher Planungsgrundsätze, die im Rahmen der Beratung von Veranstaltern seitens des DRK angewendet werden können:

2)
z.B. als „anerkannte Regeln der Technik“
3)
z.B. Unterweisungshilfe „Erste Hilfe“ der Evangelischen Fachstelle für Arbeits- und Gesundheitsschutz (EFAS) vom Juli 2010