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Bt 02

Einsatzleitlinie Flüchtlingsunterbringung

Version 2, Stand: 30. September 2015
Entwurfsverfasser: Dr. Uwe Devrient / Heinz-Wilhelm Upphoff / Christoph Brodesser,
alle DRK-Landesverband Westfalen-Lippe


Eine Flüchtlingslage erfordert seitens aller Beteiligten - sowohl Behörden als auch Rotem Kreuz und anderen Hilfsorganisationen - ein hohes Maß an Einsatzbereitschaft und Flexibilität. So sind wir als DRK in der Lage, die an uns gestellten Anforderungen erfolgreich und fachgerecht zu bewältigen.
Ausgehend aus den Erfahrungen der landesweiten Notunterbringungen im Jahr 2014 und 2015 wurde diese Handreichung erstellt. Sie soll den beteiligten Führungskräften sowie DRK-Geschäftsstellen eine Hilfestellung für eine erfolgreiche Abwicklung solcher ihrem Wesen nach hochkomplexer Einsatzlagen sein.

Die Einsatzleitlinie gibt den Wissensstand von September 2015 wieder; eine Fortschreibung und Anpassung an gemachte Erfahrungen ist vorgesehen. Für DRK-Verbände, die zum ersten Mal verantwortlich in der Flüchtlingsunterbringung tätig werden, ist – zumindest in der Anfangsphase des Einsatzes – ein Coaching durch eine erfahrene Einsatzkraft sinnvoll.

1 Verbandsrechtliche Einordnung

Die Unterbringung von Flüchtlingen ist in der Regel keine Maßnahme, die sich aus dem nrw. Katastrophenschutz- oder Gefahrenabwehrrecht (BHKG) herleiten lässt. Sie gehört auch nicht zu den Pflichtaufgaben nach dem DRK-Gesetz (DRKG), die dort in § 2 beschreiben sind. Das DRK wird daher außerhalb gesetzlicher Verpflichtungen als „freiwillige Hilfsgesellschaft der deutschen Behörden im humanitären Bereich“ (§ 1 DRKG) zur Abwendung humanitärer Notlagen tätig.

Dies bedeutet:

  • Die Freistellung von ea. Einsatzkräften durch Arbeitgeber erfolgt freiwillig.
  • Die Leitungskräfte sollten vorab mit den Arbeitgebern kommunizieren und dabei die Interessen des Arbeitgebers abwägen.
  • Es handelt sich um einen Auftrag an das gesamte DRK als Komplexes Hilfeleistungssystem.
  • Der Einsatzauftrag durch die zuständigen Landesbehörden erfolgt primär an den DRK-Landesverband; bei Auftragserteilung unmittelbar durch kommunale Behörden an DRK-Kreisverbände oder DRK-Ortsvereine ist der Landesverband zu beteiligen.
  • Einsatzaufträge durch die zuständigen Behörden erfolgen in aller Regel aus Zeitgründen telefonisch vorab. Zur Erlangung von Rechtssicherheit sollten sie – zumindest per E-Mail oder Telefax – schriftlich bestätigt werden.

So bald wie möglich sind der Auftrag und seine Rahmenbedingungen mit der zuständigen Behörde schriftlich zu vereinbaren. Hierbei sind mindestens Festlegungen zum Umfang des Auftrags (was ist die Aufgabe des DRK, welche Qualitätskriterien sind zu erfüllen?), die Abgrenzung zu möglichen anderen Partnern in der Abwicklung des Geschehens (Eigentümer/Vermieter der Liegenschaft, Wachdienst, Sozialbehörde, Gesundheitsbehörde?) und zu Art und Umfang der Kostenerstattung erforderlich. In aller Regel sollte hier zunächst die Beauftragung nach BGB gewählt werden; später – wenn der voraussichtliche Kostenumfang aus der Einsatzerfahrung heraus abgeschätzt werden kann – ist auch eine Pauschalabrechnung (Monatspauschale) mit der zuständigen Behörde denkbar. Initial erfolgt die Abrechnung des Helfereinsatzes (anteilige Kosten für Ausbildungen, Ausstattung, Nutzung von DRK-Ressourcen wie Liegenschaften als Sammlungspunkte usw., aber ggf. auch Verdienstausfall Ehrenamtlicher Helferinnen und Helfer und Kostenersatz für den Einsatz hauptamtlicher Mitarbeiter der DRK-Gliederungen) sowie der hierfür benutzten Einsatzausstattung (Fahrzeuge, DRK-eigenes Material) zunächst als Kostenerstattung, wobei eine endgültige Abrechnung auf der Grundlage von erbrachten Einsatzzeiten bzw. Einsatzleistungen (z.B. gefahrene Kilometer) vorzusehen ist. Für erforderliche Beschaffungen von Verbrauchs- und Gebrauchsgütern sowie Betriebsstoffe empfiehlt sich eine Spitzabrechnung auf der Grundlage der tatsächlich entstandenen Kosten zuzüglich einer Handlingpauschale für die in diesem Rahmen anfallenden Verwaltungsleistungen und Finanzierungskosten des DRK-Verbands in einer Größenordnung von ca. 15%.

2 Einsatzregeln

Wegen der in der Regel überregionalen Bedeutung von Maßnahmen der Flüchtlingsunterbringung erfolgt eine tägliche Lagemeldung / Lagefortschreibung an die Einsatzzentrale Landesverband (EZtLV). Diese umfasst mindestens eine tägliche Meldung der Belegungszahlen und Meldungen über Ereignisse, insbesondere große Polizeieinsätze oder andere Ereignisse mit hohem Medieninteresse. Für jede betreute Einrichtung ist ein/e „Betreuungsleiter/in“ einzusetzen, die/der objektbezogen die Leitung übernimmt. Außerdem ist eine geeignete Führungsstruktur entsprechend der Anzahl der eingesetzten Kräfte (Abschnittsbildung!) in analoger Anwendung der DRK-DV 100 und unter Berücksichtigung der Binnengliederung der Unterkunft (siehe Nr. 3) aufzubauen. Diese Führungsstruktur kann erfahrungsgemäß nach Anlaufen des Einsatzes und Übergang in den Regelbetrieb heruntergefahren werden. Mindestens ist aber auch dann ein/Einrichtungsleiter/in und ein/e Stellvertreter/in („Betreuungsleiter/in“) einzusetzen. Spätestens dann ist darauf zu achten, dass die Personen mit Leitungsverantwortung eine fachliche oder berufliche Qualifikation für die Aufgabenwahrnehmung haben (z. B. Einrichtungsleiter bzw. ehemalige Einrichtungsleiter von stationären Einrichtungen).

Einsätze zur Flüchtlingsunterbringung sind Einsätze des Komplexen Hilfeleistungssystems des DRK, die Informationsflüsse in alle Aufgabenbereiche des Verbandes erfordern. Daher sollte ein System geschaffen werden, durch das – z.B. im Rahmen zunächst täglicher, später wöchentlicher Lagebesprechungen – die Verantwortungsträger aller verbandlichen Aufgabenfelder regelmäßig über den Fortgang des Einsatzes zur Flüchtlingsunterbringung informiert werden.

In der Anlaufphase des Einsatzes ist es erforderlich, den DRK-Einsatzstab einzuberufen, um dadurch eine umfassende Koordinierung und Information im Rahmen des Komplexen Hilfeleistungssystems des DRK sicherzustellen. Da Einsätze zur Flüchtlingsunterbringung das Hilfeleistungssystem des DRK stark belasten, ist nicht auszuschließen, dass hierdurch die Fähigkeit zur Not- und Katastrophenhilfe eingeschränkt wird. Der Rotkreuzbeauftragte soll daher regelmäßig der zuständigen Gefahrenabwehrbehörde über den Einsatzverlauf und mögliche Einschränkungen der Einsatzbereitschaft der vom DRK gestellten Einsatzeinheiten berichten. Die Kreisrotkreuzleitung orientiert die Rotkreuzleitungen der Gemeinschaften regelmäßig über den Einsatzverlauf und sichert dabei insbesondere auch die Unterstützung für Einsätze des täglichen Dienstes im Sinne der Nachbarschaftshilfe. Ebenso erfolgt durch den Leiter des DRK-Einsatzstabes eine regelmäßige Information des Vorstands/Kreisgeschäftsführers, soweit dieser nicht selbst im Einsatzstab beteiligt ist.

Die Anforderung eines Einsatzes zur Flüchtlingsunterbringung ist so rasch wie möglich mittels WE-Meldung an die Einsatzzentrale Landesverband (als Koordinierungsgruppe des Einsatzstabes Landesverbandes) zu melden. Alle weiteren Berichtsnotwendigkeiten werden durch die Einsatzzentrale Landesverband festgelegt.

2.1 Kommunikation nach außen

Der Beginn einer Maßnahme zur Flüchtlingsunterbringung in einer Landeseinrichtung wird durch den Landesverband der örtlich zuständigen Bezirksregierung mitgeteilt. Dabei werden der Umfang des Auftrages und die erwartete Kostenerstattung nochmals bestätigt.

In der für den Standort der Flüchtlingsunterkunft zuständigen Kommune erfolgt eine Meldung an das Gesundheitsamt unter dem Stichwort „Gemeinschaftsunterkunft“. Das Gesundheitsamt wird dann die erforderlichen weiteren Maßnahmen festlegen wie

  • Impfungen
  • Vorgehen bei Infektionserkrankungen/Ausbrüchen
  • Küchenhygiene, Erfüllen der Vorschriften
  • Hygiene/Sauberkeit in der Unterkunft

Eine weitere Meldung erfolgt an das örtlich für den Rettungsdienst, den Bevölkerungsschutz und den Brandschutz zuständige Amt (Ordnungsamt oder Feuerwehramt des Kreises, Ordnungsamt der Gemeinde) sowie an die Polizei. Mit diesen Behörden sind – vorteilhafterweise im Rahmen einer Begehung – folgende Maßnahmen festzulegen:

  • Kommunikationswege
  • Anfahrtswege vereinbaren (welche Tür ist offen, wo ist es am günstigsten, wo werden sie erwartet)
  • Abstimmen von Patrouillengängen und Streifen
  • Ggf. Anpassung der jeweiligen Alarm- und Ausrückeordnungen (AAO)

Weitere Verbindungsaufnahmen erfolgen mit den lokalen niedergelassenen Ärzten und Apotheken, anderen lokalen Geschäften sowie den Nachbarn. Bei diesen Gesprächen ist folgendes zu berücksichtigen:

  • Information
  • Eingehen auf Sorgen
  • Sauberkeit im Umfeld der Unterkunft
  • Ansprechpartner bei Problemen benennen
  • Mögliche Unterstützungsleistungen erkunden

Schließlich sind auch alle Beteiligten aus dem Komplexen Hilfeleistungssystem (Hauptamt und Ehrenamt) des DRK zu informieren:

  • Führungskräfte von Rotkreuzgemeinschaften und Einsatzeinheiten
  • Leitungen Sozialarbeit
  • Blutspende
  • JRK
  • Mitarbeiter der örtlichen DRK-Geschäftsstellen / Einrichtungen

2.2 Abgrenzung zu Wachdienst

Mit dem beauftragten Wachdienst-Dienstleister (in der Regel extern durch die zuständige Behörde beauftragt) ist Kontakt aufzunehmen und eine erste Abstimmung durchzuführen. Soweit das DRK die Beauftragung des Wachdienst-Dienstleisters übernimmt. ist darauf zu achten, dass der Anbieter den sog. „8-Punkte-Plan“ der Landesregierung NRW erfüllt.

2.3 Pressearbeit

Die Pressearbeit ist mit dem Landesverband und der zuständigen Bezirksregierung abzustimmen, soweit es sich um eine Landeseinrichtung handelt. Bei kommunalen Einrichtungen erfolgt die Abstimmung mit der Kommune, in deren Trägerschaft die Unterkunft betrieben wird.

3 Einzurichtende Positionen / Abschnitte in der Unterkunft

Nachstehend sind die Funktions-/Arbeitsbereiche einer Unterkunft aufgeführt, die regelmäßig - als getrennte Bereiche oder aber durchaus auch in Kombination - vorbereitet und betrieben werden müssen.

Den von der internationalen Rotkreuz- und Rothalbmondbewegung vertretenen Grundsätzen zufolge ist in dem gesamten vom DRK betreuten Unterkunftsbereich das Mitführen von Waffen untersagt. Auf dieses Verbot ist durch entsprechende Beschilderung - möglichst mehrsprachig, vorzugsweise mindestens in englischer Sprache - hinzuweisen. Die Schilder sind mindestens an der Umfriedung, im Zugangsbereich und im Bereich der Gemeinschaftsräume anzubringen. Auf das Waffenverbot ist auch in der Hausordnung aufmerksam zu machen.

a. Einrichtungsleitung und Administration

Für Einrichtungsleitung und Administration sind neben der üblichen Büroausstattung mindestens zwei Telefonanschlüsse (drahtgebunden oder per Mobilfunk) einzurichten, darüber hinaus möglichst ein Telefaxanschluss sowie ein E-Mail-Zugang. Für die interne Kommunikation zu den Abschnitten und Funktionsbereichen kann zunächst BOS-Funk (ggf. Zuweisung von Gesprächsgruppen über den Landesverband) genutzt werden. Die spätere Einrichtung eines eigenen Betriebsfunknetzes ist spätestens bei Übergabe in den hauptamtlichen Regelbetrieb vorzusehen.

Für die unmittelbar nachgeordnete Verwaltung (i. d. R. mindestens 2 Mitarbeiter) sind weitere Internet-Anschlüsse vorzusehen, damit das Personal auf das Verwaltungsprogramm für die erforderliche Maßnahmen für die Bewohner zugreifen kann. Solange eine von der Behörde beizustellende Verwaltungssoftware noch nicht zur Verfügung steht, empfiehlt sich die Verwendung des Ruatti.Commanders, der über ein speziell auf die Bedürfnisse von Notunterkünften zugeschnittenes Betreuungsmodul für die Registrierung der Bewohner und die Dokumentation der Ausgabe von Verbrauchsgütern und Mahlzeiten sowie die Einsatzdokumentation und das Meldewesen zum Landes- und Bundesverband verfügt. Soweit der Rotkreuzverband nicht über eine eigene Ruatti.Commander-Installation verfügt, können übergangsweise Installationen über die Einsatzzentrale Landesverband freigeschaltet werden.

Die Verwaltungsmitarbeiter müssen über Möglichkeiten verfügen, größere Mengen Bargeld sicher vorhalten zu können, um damit die erforderlichen Leistungen an die Flüchtlinge nach Maßgabe der zuständigen Behörde auszahlen zu können. Darüber hinaus muss Mobiliar zur sicheren Unterbringung von Akten (z. B. Akten über die Bewohner) vorhanden sein.

Für Zwecke der Personensuche und der Familienzusammenführung kann die Suchdienst-Software „XENIOS“ genutzt werden. Falls erforderlich kann hierfür eine Lage auf dem zentralen XENIOS-Server des DRK über das Landesauskunftsbüro eingerichtet werden.

b. Wohnbereich

  • Als Erstmaßnahme: Feldbetten, disc-o-beds, bunk-o-beds. Diese haben gegenüber Feldbetten den Vorteil, doppelstöckig aufgebaut werden zu können und daher eine deutlich größere Unterkunftskapazität zu bieten.
  • In zweiter Linie: doppelstöckige Holz- oder Metallbetten (z.B. ehemalige Bundeswehrbetten, Betten aus dem Fachhandel)
  • In der Regel sollte ein Unterkunftszimmer nicht mehr als 6…8 Betten umfassen. ABER: Familienzimmer können

größer sein.

c. „Krankenstation“

  • Wartebereich
  • Untersuchungs- und Behandlungsraum mit Möglichkeit zur Blutdruck- und Temperaturmessung.
  • Isolationsbereich (>= 2 Zimmer, möglichst mit eigenem Sanitärbereich).
  • Sanitätsbereich (allgemeinärztliche Ausrichtung). Notfallrucksack und AED für Notfallsituationen.
  • Arztzimmer zur Sicherstellung der ärztlichen Vertraulichkeit.

d. Sanitärbereich

  • Die Größenberechnung erfolgt nach den üblichen Regeln für Betreuungseinsätze (DRK-DV 600 WL).
  • In Abstimmung mit dem Eigentümer der Liegenschaft erfolgt ggf. eine Ertüchtigung eingeschränkter Infrastruktur. Notfalls müssen Sanitärcontainer/Toilettencontainer/Duschcontainer angemietet werden.

e. Küchenbereich

  • Kantine
  • Lebensmittelsichere Lagerung von Lebensmitteln
  • Kühleinrichtungen
  • Entsorgung

f. Kleiderkammer

g. Gemeinschaftsraum

h. Frauenbereich

i. Gemeinsamer Wachbereich (DRK und Wachdienst) einschließlich Einsatzkräfteregistrierung

j. Sozialraum für Mitarbeiter und Einsatzkräfte

k. Halte- und Wendeplatz für Busse mit geeigneter Zufahrt, auch für den Lieferverkehr (Schwerlastverkehr)

4 Personalansatz

4.1 Kräftebemessung

Der Betrieb von Notunterkünften ist - spätestens nach erfolgtem Aufbau - nicht identisch mit dem Betrieb von z.B. „Betreuungsplätzen 500“. Der Personalansatz kann daher - nach Aufbau und Erstbelegung - deutlich gegenüber den sonst im Betreuungsplatz üblichen Ansätzen reduziert werden. Zu empfehlen ist hier ein Drei-Schicht-Betrieb, der aus zwei Tagschichten (Früh- und Spätschicht) sowie einer Nachtschicht besteht.
In den Tagschichten, in denen Anreise und Abreise von Flüchtlingen sowie die Verpflegungsausgabe, Ausgabe von Gegenständen des täglichen Bedarfs und medizinische Regelversorgung anfällt, ist primär eine Personalstärke von ca. 1:20 (1 Einsatzkraft auf 20 Bewohner) in der Betreuung üblicherweise notwendig, aber auch ausreichend; hinzu kommen die Kräfte für die Vorbereitung und Ausgabe der Verpflegung (Frühstück, warmes Mittagessen und Abendessen). Im weiteren Verlauf kann schrittweise eine Reduzierung auf 1:40 (1 Einsatzkraft auf 40 Bewohner) erfolgen. Bezüglich der Zubereitung und Ausgabe der Verpflegung sollte dabei frühestmöglich auf spezialisierte Cateringbetriebe oder auf Kücheneinrichtungen aus dem verbandlichen Bereich zugegriffen werden, so dass der Kräfteansatz für die Zubereitung von Verpflegung reduziert werden kann.
Sinnvoll ist es, für die Anreisen und Aufnahme neu ankommender Flüchtlinge jeweils aus der Alarmierung heraus kurzfristig auf Kräfte für die Registrierung und Einweisung zurückgreifen zu können. Für die soziale Betreuung empfiehlt es sich, Verbindung mit den örtlich zuständigen Migrationsfachdiensten aufzunehmen, die insbesondere regelmäßig auch in der Lage sein sollten, Dolmetscher zu vermitteln, die die Kommunikation mit den Flüchtlingen unterstützen.
Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit, auch für Menschen aus anderen Kultur- und Sprachregieonen sollten darüber hinaus Hinweisschilder mehrsprachig ausgeführt und mit allgemein üblichen Piktogrammen versehen werden. Auf einem zentralen Datenspeicher des Landesverbandes stehen hierfür eine Vielzahl von Mustern und Vorlagen zur Verfügung.

4.2 Sanitätsstation

In der Tagschicht sollte eine Sanitätsstation durchgehend mit mindestens zwei Einsatzkräften besetzt sein, um alltägliche Notfälle sowohl bei Einsatzkräften als auch Bewohnern im Sinne der Ersten Hilfe abdecken zu können. Darüber hinaus ist die Erreichbarkeit des Rettungsdienstes sicherzustellen. Außerdem sollte in Zusammenarbeit mit dem Kreisverbandsarzt und ggf. dem Gesundheitsamt eine tägliche ärztliche Sprechstunde (Aufgabe niedergelassener Ärzte und der kassenärztlichen Vereinigung) organisiert werden. Für außerhalb der ärztlichen Sprechstunden in der Einrichtung auftretende alltägliche medizinische Versorgungsfälle, die keine Notfälle i.S.d. Rettungsdienstes sind, empfiehlt sich die Zusammenarbeit mit einem oder mehreren niedergelassenen Ärzten und/oder für die sprechstundenfreien Zeiten die Absprache mit der zuständigen Notfallpraxis des kassenärztlichen Bereitschaftsdienstes.
Für die Versorgung mit durch die Ärzte im Rahmen der Sprechstunden etc. verordneten Medikamenten ist die Absprache mit einer örtlichen Apotheke sinnvoll.

Für die Nachtschichten1) ist bei Einrichtungen einer Größe bis zu 300 Bewohnern ein Präsenzdienst von drei Einsatzkräften für Anfragen durch die Bewohner sowie medizinische Notfälle einzuplanen. Bei Einrichtungen zwischen 300 und 600 Bewohnern liegt die Anzahl bei 4 Kräften, für 600 bis 700 Bewohner bei 5 Kräften und bei 700 bis 1.000 Bewohnern bei 6 Kräften. Für größere Einrichtungen mit einer Bewohnerzahl über 1.000 Personen wird die Anzahl der Kräfte für den Nachtdienst in Absprache mit der zuständigen Bezirksregierung individuell festgelegt. Vorzugsweise sind hierfür Kräfte einzuplanen, die sowohl über eine sanitätsdienstliche Ausbildung verfügen als auch betreuerische Kenntnisse haben.
Dieser Nachtdienst muss über die erforderlichen Kommunikationsverbindungen verfügen, um im Bedarfsfall eine Verstärkung des Dienstes - etwa für unangekündigte Zuweisungen von Flüchtlingen zu ungewöhnlichen Zeiten oder andere eintretende Sondersituationen - anfordern zu können.

Die Abrechnung aller genannten medizinischen Leistungen erfolgt im Rahmen des sog. „Behandlungsscheinverfahrens“ durch die zuständige Behörde. Die Einrichtungsleitung sollte daher für die Verwendung durch die Ärzte entsprechend Behandlungsscheine bei der zuständigen Behörde anfordern und vorrätig haben. Sollte die zuständige Behörde über die vorstehenden Maßnahmen hinausgehende medizinische Leistungen anfordern (z.B. Unterstützung bei Erstuntersuchungen nach dem Infektionsschutzgesetz IfSG oder bei Röntgenuntersuchungen), ist dies gesondert zu vereinbaren.

4.3 Überführung in den hauptamtlichen Regelbetrieb

Der Primäreinsatz ehrenamtlicher Kräfte wird sich bevorzugt auf die Phase der Einrichtung, der Erstaufnahme sowie der ersten Betriebstagen erstrecken. Dies gibt der jeweiligen Rotkreuzgliederung die Zeit, hauptberufliches Personal zu gewinnen und in die Arbeit einzuführen. Anzustreben ist, nach ca. 10 Tagen den Betrieb gleitend aus dem Ehrenamt in das Hauptamt zu überführen, so dass nach ca. zwei Wochen ein voller hauptamtlicher Betrieb möglich wird. Der Einsatz des Ehrenamtes sollte sich ab diesem Zeitpunkt auf punktuelle Unterstützung und ggf. Sonderaktionen beschränken.

Die Unterstützung durch weitere freie Mitarbeiter/innen der Rotkreuzgemeinschaften („TEAM WESTFALEN“) und auch weiterer Kräfte aus der Bevölkerung kann eine wesentliche Entlastung des Ehren- und Hauptamtes sein. Diese Kräfte können bei vielen Aufgaben hilfreich eingesetzt werden und insbesondere ergänzende („komplementäre“) Leistungen erbringen, die sonst nicht angeboten werden könnten. Diese Kräfte bedürfen jedoch der Anleitung; der Einsatz eines Koordinators für die Freiwilligenarbeit ist daher sinnvoll und erforderlich, um die eingesetzten regulären Kräfte nicht zusätzlich durch diese Aufgabe zu binden. Zu beachten ist, dass alle diese Kräfte sich aus Gründen des Versicherungsschutzes mit Name, Vorname, Wohnort und Geburtsdatum registrieren lassen und dann, wenn sie in unmittelbarem Kontakt mit den Bewohnern – insbesondere Kindern und Jugendlichen – eingesetzt werden sollen, ebenso wie die hauptberuflichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die Einsatzkräfte aus den Rotkreuzgemeinschaften das sog. „Erweiterte Führungszeugnis“ vorlegen müssen.

5 Spendenmanagement

Eine vielfach geäußerte Frage betrifft das Management von Sachspenden aus der Bevölkerung (z.B. Kleiderspenden, Gegenstände des täglichen Bedarfs wie Kinderwagen oder Kinderspielzeug). Die Erfahrung zeigt, dass die Einrichtung eines eigenen Spendenmanagementsystems in den Notunterkünften zu viele Kräfte bindet und auch zu einem „Run“ auf Spendengüter, Kleidung etc. führen kann. Sachspenden sollten daher besser in die üblichen Spendenstrukturen wie Kleiderkammern etc. einfließen und dann gezielt benötigte Hilfsmittel dort abgerufen werden. Damit ist einerseits sichergestellt, dass keine Überlastung der Notunterkunft durch Maßnahmen des Sachspendenmanagements stattfindet und andererseits auch Spendengüter, die nicht unmittelbar in der Notunterkunft benötigt werden, für eine sachgerechte Verwendung bei anderen hilfebedürftigen Menschen zur Verfügung stehen. Dies dürfte auch im wohlverstandenen Interesse der Spender sein.
Insbesondere bei dieser Aufgabe ist eine Einbindung von Kräften des TEAM WESTFALEN und von anderen ungebundenen Kräften sehr sinnvoll möglich.

6 Besondere Hinweise zur Einsatztaktik

6.1 Wachdienst („Security“)

Der Wachdienst sorgt für die Einhaltung der Hausordnung innerhalb des Geländes und der Gebäude; er hat hierbei lediglich die jeder Bürgerin und jedem Bürger in Deutschland zustehenden Jedermannrechte2). Die Mitarbeiter/innen sollen in Deeskalationstechniken geschult sein. Für den Einsatz von Wachdienstfirmen sind die Vorgaben des Landes (anerkannte Firmen mit entsprechender Zertifizierung durch die Behörden) unbedingt zu beachten. „Rund-um-die Uhr“ sollten mindestens jeweils 2-3 Wachdienst-Kräfte anwesend sein, dabei ist darauf zu achten, dass jederzeit Männer und Frauen durchgehend eingesetzt sind. Die Schlüsselwerte sind hier 1 Wachdienstkraft je 75 Bewohner bei Zeltunterkünften bzw. 1 Wachdienstkraft je 100 Bewohnern bei festen Bauten, jeweils zuzüglich der Kräfte für den Pfortendienst.
Die Wachdienst-Kräfte sind als Bestandteil des Teams anzusehen und in den Tagesbetrieb zu integrieren.
Die Wachdienst-Mitarbeiter dürfen nur in Absprache mit dem DRK und unter Begleitung durch DRK-Betreuer Zimmer der Bewohner betreten. Das Tragen von Waffen (auch Pfefferspray) ist untersagt.

Das Wachbuch des Wachdienstes wird täglich mit dem DRK-Einrichtungsleiter besprochen, der das jeweilige Tagesblatt auch abzeichnet.

Die Grundrechte der Bewohner sind selbstverständlich zu beachten und zu respektieren. Durchsuchungen von Zimmern sind verboten, auch darf es keine „Sonderräume“, Einzel-Behandlungen von Bewohnern oder ähnliches geben.
Taschenkontrollen – z.B. auf Alkohol oder Drogen – sind lediglich als Zugangskontrolle auf der Basis der Hausordnung zulässig, ohne dass hierbei Zwangausgeübt werden darf. Auf Taschenkontrollen ist durch Plakate oder Hinweisschilder unmissverständlich hinzuweisen. Falls Bewohner sich mit einer Taschenkontrolle nicht einverstanden erklären, sind die Taschen – ohne sie zu öffnen! – sicherzustellen und bis zum Eintreffen der Polizei aufzubewahren. Bei Problemfällen ist in jedem Fall die Polizei hinzuzuziehen. Soweit Ordnungsmaßnahmen erforderlich erscheinen, sind sie mit Bezirksregierung und Landesverband abstimmen.
Aufgabe des Einrichtungsleiters und aller Einsatzkräfte ist es, die Ethik des DRK zum Wohle des Menschen zu vertreten. Dies kann bedeuten, auch Behörden gegenüber die Grenzen aufzuzeigen, die wir nicht überschreiten.

Ebenso wie die dienstfreien DRK-Einsatzkräfte verlassen auch die Wachdienstmitarbeiter nach dem Dienst die Einrichtung. Dienstfreie Einsatzkräfte wohnen und schlafen nicht auf dem Gelände der Einrichtung.

6.2 Kinder

Positive Zeichen im Unterkunftsbetrieb: Kinder sind aufgeschlossen, nicht ängstlich.
Betreuungsangebote externer Organisationen sind einzubeziehen. Gelegentliches Streitschlichten muss in ruhiger, angepasster Form geschehen und darf keinesfalls bis zum Streit mit oder unter den Eltern eskalieren. Besondere Spielzeuge sind nicht nötig. Zu beachten ist, dass Kinder gerne liebgewordene kleinere Spielzeuge (Bälle, Püppchen, Spielzeugautos) später in andere Unterkünfte mitnehmen möchten. Daher ist rechtzeitig für Vorräte und Nachschub zu sorgen. Größere Spielzeuge (Bobbycars, Roller) können z.B. in den Bussen nicht mitgenommen werden. Es muss daher von vorneherein unmissverständlich deutlich werden, dass diese nur zum zeitweiligen Gebrauch bestimmt sind und in der Einrichtung verbleiben müssen. Wichtig ist das Ermöglichen des Spielens im Freien, Malen, Gruppenspiele, ggf. unter Einbezug des JRK

6.3 Essen (wichtige Eckpunkte)

Soweit in der Liegenschaft vorhandene Kochgelegenheiten nicht ausreichen, müssen ggf. Küchencontainer angemietet und installiert werden. Der Betrieb von Feldkochherden etc. in Küchenzelten muss auf das unumgänglich erforderliche Maß, z.B. in der Anlaufphase des Betriebs, beschränkt werden.
Die HACCP-Regeln müssen unbedingt eingehalten werden, insbesondere:

  • keine Ausgabe Warmverpflegung mit einer Temperatur < 69 Grad
  • Ausgabe kühlpflichtiger Speisen mit einer Temperatur > 9 Grad
  • Ausgabetheke und Kühltheke müssen mit Spuckschutz ausgestattet sein

Möglichst frühzeitig sollte auf Verwendung von Tiefkühlkost, die von dafür spezialisierten Lieferfirmen angeliefert wird, umgestellt werden. Tiefkühler und Konvektomaten (ausreichende Leistung des Stromanschlusses beachten!) können in der Regel von den Lieferfirmen der Tiefkühlkost bereitgestellt werden.

Solange wie nicht die die hygienische Geschirrreinigung (Spülautomaten) sichergestellt werden kann, ist Einweggeschirr zu verwenden.
Kaltverpflegung sollte von lokalen Großanbietern beschaffen; die Hygiene ist in den ungeöffneten Großgebinden gesichert.
Kein Schneiden von Brot, Wurst, Käse etc. in der Einrichtung, sondern vom Lieferanten bereits vorgeschnitten beziehen.
Lunchpakete sind im Kühlhaus zu lagern.
Keine Ausgabe von Essen durch Bewohner!

Für die Einrichtung muss ein Hygieneplan erstellt und mit Gesundheits- bzw. Veterinäramt abgestimmt werden. Diese Behörden halten in aller Regel auch Muster-Hygienepläne vor, die dann lediglich auf die besonderen Bedingungen der Unterkunft angepasst werden müssen.

6.4 Trinkwasser

Die Trinkwasserleitungen3) müssen vor Benutzungsfreigabe muikrobiologisch insbesondere auf Legionellenbefall4) geprüft werden. Sollte ein Befall mit Legionellen vorliegen, ist eine sog. „thermische Desinfektion“5) nach Weisung der zuständigen Behörde vorzunehmen.
Solange zu wenig Trinkwasserzapfstellen für Leitungswasser vorhanden sind, muss Trinkwasser (Mineralwasser) in Flaschen oder vorzugsweise in Tetrapacks ausgegeben. In vielen Herkunftsländern der Flüchtlinge ist mit hohem Anteil an Kohlensäure versetztes Trinkwasser nicht bekannt. Daher sollte vorteilhafterweise kohlensäurefreies oder kohlensäurearmes Trinkwasser („stilles Wasser“ oder „medium“) ausgegeben werden.

Auch später müssen die Trinkwasserversorgungsleitungen regelmäßig durch einen Fachbetrieb geprüft und überwacht werden, ggf. ist die Installation zu reparieren.

Soweit die Duschen noch nicht freigegeben sind, müssen ggf. Duschcontainer eingesetzt werden. Dekon V/P-Anlagen des Bevölkerungsschutzes sind keine regulären Duschen und dürfen nicht ohne Freigabe als Duschen eingesetzt werden.

Auch die Heizungsanlage ist vor Inbetriebnahme durch eine Fachfirma prüfen und ggf. instandsetzen zu lassen.

6.5 Reinigungsarbeiten

Für die gesamte Liegenschaft (auch Außenbereich!) ist ein Reinigungsplan zu erstellen. Hierbei gilt als Mindestforderung: Sanitäranlagen 2-mal pro Tag reinigen,
Flure und Gemeinschaftsflächen mindestens 1 mal täglich (Fachfirma).
Die Unterkunftsräume werden durch die Bewohner selbst gereinigt (Reinigungsgeräte /-mittel bereitstellen!)
Bei Bewohnerwechsel erfolgt eine Grundreinigung/Aufbereitung der Zimmer durch die Reinigungsfirma.

Ggf. ist die Einbindung von Bewohnern in die Pflege des Außenbereichs gegen Zahlung eines geringen Geldbetrages nach den gesetzlichen Vorschriften möglich.

Händedesinfektionsspender müssen großzügig im Gebäude verteilt aufgehängt werden, insbesondere aber in den Sanitärräumen und vor dem Eingang zur Kantine.

Das gesamte Gelände und die Gebäude müssen regelmäßig auf Ungezieferbefall überwacht und ggf. die Ungezieferbekämpfung durch eine Fachfirma veranlasst werden.

6.6 Brandschutz

Mit der zuständigen Brandschutzdienststelle sind regelmäßig Brandschutzbegehung durchführen und erforderliche Maßnahmen sofort umzusetzen.
Im gesamten Bereich der Unterkunft erfolgt der Einbau von vernetzten Rauchmeldern, Einsatz von Temperaturmeldern (Küche) und Kohlenmonoxidmeldern nach Anweisung der Feuerwehr. Die Melderanlagen können von Fachfirmen gemietet werden.

6.7 Transportleistungen

Um die notwendigen Sammeltransporte zu Ärzten, Behörden usw. sicherstellen zu können, ist die Verbindungsaufnahme mit Transportunternehmen, Taxiunternehmen oder Busunternehmen erforderlich. Auch für pklanbare Transporte zu Röntgenuntersuchungen können Busse sinnvoll sein.
Hinzu kommen auch Einzelfahrten zu Ärzten, Krankenhäusern, Apotheken etc., die durch Taxiunternehmen oder Transportdienste des DRK durchgeführt werden können.
Ggf. müssen hierfür Kindersitze / Babysitze beschafft werden.

6.8 Medizin

Ziel ist es, den Zugang zu medizinischer Versorgung auf der Ebene üblicher hausärztlicher Versorgung sicher zu stellen. Rettungsdienstliche Vorkehrungen sind im Allgemeinen nicht erforderlich. Selbst bei mehreren hundert Menschen in der Unterkunft handelt es sich schließlich um nicht mehr als die Bevölkerungszahl einer Wohnstraße oder eines Wohnviertels.

Eine Medikation durch Nichtärzte ist untersagt! Ausnahmen kann nur der für die Unterkunft tätige Hausarzt im Rahmen von „Standardarbeitsanweisungen“ (SAA) für das medizinische Personal freigeben.

In der Sanitätsstation geführte Patientenakten werden bei Transporten den Patienten oder deren Begleitpersonen im verschlossenen Umschlag mit Aufschrift „nur durch Arzt zu öffnen!“ mitgeben. Es empfiehlt sich, handelsübliche „Patientenhefte“ in mehrsprachiger Ausführung zu führen.

Ein Hindernis abrechnungstechnischer Art ist, dass die Behandlungsscheine (s.o.) üblicherweise nicht „KV6)-kompatibel“ sind. Bei Flüchtlingen in den Landeseinrichtungen musste daher bislang für jeden Behandlungsfall eine Rechnung geschrieben werden, was für die Arztpraxen sehr verwaltungsaufwändig war. Zwischenzeitlich haben aber die zuständigen Bezirksregierungen für die Landeseinrichtungen Rahmenvereinbarungen mit den KV geschlossen, die eine Abrechnung auf diesem Weg ermöglichen. Darüber hinaus werden in etlichen Kommunen inzwischen auch Krankenversicherungskarten an Flüchtlinge und Asylbewerber ausgegeben. Die für den Ort der Liegenschaft übliche Verfahrensweise ist z.B. beim zuständigen Sozialamt der Gemeinde zu erfahren.

Bei den Asylbewerbern in kommunalen Einrichtungen gibt es Abrechnungsscheine, deren Daten in die Praxis-EDV der niedergelassenen Ärzte eingeben werden können (es gibt eine „Kassennummer“ für den Kostenträger und ein Aktenzeichen, welches die Mitgliedsnummer eines Normalversicherten ersetzt). Der Arzt bzw. sein Praxispersonal kann dann die üblichen EBM-Leistungsziffern in die EDV eingeben und am Ende des Quartals alles online an die KV zur Abrechnung senden, was den Verwaltungsaufwand auf das Maß eines üblichen Kassenpatienten minimiert.

Nach § 4 Asylbewerberleistungsgesetz dürfen während des laufenden Anerkennungsverfahrens nur akute Erkrankungen und Schmerzzustände behandelt werden. Abklärung chronischer Erkrankungen oder von Altverletzungen sind nur im Rahmen akuter Verschlechterung möglich.
Abrechnungstechnisch bedeutet dies z.B., dass Diabetiker einen Diabetes mellitus MIT Entgleisung haben müssen, um eine Abrechnung zu ermöglichen.
Ein Problem sind auch die Rezepte: Kassenrezepte für Medikamente sind kein Problem (gebührenfrei), „grüne Rezepte“ für Selbstzahler (z.B. für Paracetamol oder Ibuprofen) können sich die Asylbewerber (die ja zunächst noch kein Taschengeld haben) nicht leisten. Hilfsmittel (z.B. Aircast-Schiene, BZ-Gerät, Lanzetten) können nicht verordnet werden (zum Glück gelten jedoch die BZ-Teststreifen nicht als Hilfsmittel, sind also abrechnungsfähig).

Ggf. ist eine Verbindungsaufnahme mit der zuständigen kassenärztlichen Vereinigung zur Abklärung von Verfahrensgängen notwendig. Hausärzte zeigen evtl. wegen der eigenen Überlastung wenig Neigung, Sprechstunden in den Einrichtungen abzuhalten. In ihrer Praxis wollen sie die Patienten mit Rücksicht auf die eigenen Patienten auch nicht so gerne aufnehmen. Wegen des Ärztemangels, insbesondere in ländlichen Regionen, ist Ersatz mit Kassenzulassung nicht zu finden. Dazu kommen Probleme der Umsetzung der mit den unbekannten Abrechnungsscheinen des Landes und bei der Medikamentierung und den ggf. notwendigen Hilfsmitteln. Hier ist eine enge Zusammenarbeit zwischen den Rotkreuzärzten, den Gesundheitsämtern und den ärztlichen Standesorganisationen erforderlich, um die Gesundheitsversorgung in den Einrichtungen sicherzustellen.

Gei ggf. notwendigen Impfaktionen kann - ggf. in Absprache mit der Bezirksregierung - das Anwerben von Impfärzten / Medizinischen Fachangestellten und die organisatorische Unterstützung der Arbeit erfolgen.

Für Schwangere und Wöchnerinnen ist das Ansprechen von Frauenärzten und Hebammen erforderlich.

In Absprache und ggf. mit organisatorischer Unterstützung durch Bezirksregierung und Gesundheitsamt müssen geklärt werden:

  • Eingangsscreening / Untersuchung
  • Röntgenuntersuchung
  • Impfungen
  • Temperaturmessungen

6.9 Fremdsprachliche Verständigung

Der Verständigung mit den in der Notunterkunft untergebrachten Personen kommt hohe Bedeutung zu. Neben dem Einsatz von Hinweisschildern mit international gebräuchlichen Piktogrammen ist der Einsatz von Sprachmittlern („Dolmetscher“) unabdingbar.

Der Kontakt zu Dolmetschern kann über Kirchengemeinden, religiöse Gemeinschaften, Wohlfahrtsverbände und insbesondere über die Wohlfahrts- und Sozialarbeit des DRK, die über entsprechende Kontakte verfügt, hergestellt werden.

Dolmetscher haben den längsten und persönlichsten Kontakt zur Zielgruppe und kulturelles Verständnis.
Aber beachten: ggf Klientelwirtschaft, Ab-/Ausgrenzen anderer Gruppen aus anderen ethnischen oder Sprachbereichen, „Geschäfte“ sind denkbar und müssen durch geeignete Maßnahmen unterbunden werden.

7 Mögliche Problemfelder

7.1 Flüchtlinge

Problem:
Eskalation zwischen Ethnien, Religionen, Kulturen, besonders wenn diese in Herkunftsländern verfeindet sind (Sunniten/Schiiten, Dunkelhäutige/Hellhäutige)

Abhilfe:

  • Suchen und Einteilen von Ansprechpartnern (Häuser) aus den Betreuten
  • Wohnungs/Hauszuteilung unter Berücksichtigung multipler Einflussfaktoren wie Notwendigkeit von Betreuung, Verfügungstellung Unterkunft, Pflegebetten (Schwangere)
  • Sozialarbeit
  • Eingehen auf die besonderen Bedürfnisse von
    • Frauen
    • Kinder
    • Traumatisierte
  • Einbezug der Flüchtlinge in das tägliche Unterkunftsleben
  • Empathie, „ein Herz zeigen“
  • Kennzeichnung von für das DRK tätigen Zivilpersonen (Überwurfweste) zur Schffung von Identifikation

7.2 Einsatzkräfte

Problem:
Prä-Panik (Tbc, Varicellen, Hepatitis, etc.) verstärkt durch „Ausland“, „Unsauberkeit“, „Kleidung abgenutzt und verdreckt“,
Verschiedene Essengewohnheiten für Einsatzkräfte und Köche theoretisch bekannt, jedoch oft keine praktischen Lösungen umsetzbar vorhanden
Handy bei Flüchtlingen erweckt den Eindruck = „Reich = bedarf unserer Hilfe nicht“

Abhilfe:
Erforderlich sind im Vorfeld und in der Einsatzeinweisung:

  • Eingehen auf rechtliche Flüchtlingsproblematik der Flüchtlinge
  • ungewohnte Aufträge (Koffer bewachen) sollten hinsichtlich Wichtigkeit, Wertschätzung kommuniziert werden.
  • Maßnahmen gegen Lagerkoller / Angst vor „Eingesperrtsein“
  • Erfordernis der Vermittlung des Einsatzauftrages an Einsatzkräfte unter Berücksichtigung der Rot-Kreuz-Grundsätze.
  • Monitoring und Sicherheit

7.3 Aktivierung des Komplexen Hilfeleistungssystems des DRK (Beispiele)

  • Einsatz JRK (niederschwellige Betreuung von Kinder)
  • Kleiderkammern
  • Migrationsberatung /-unterstützung
  • Suchdienst
  • Interkulturelle Kompetenz aufbaufähig vorhanden
  • Versorgung mit Dingen des alltäglichen Bedarfs

7.4 Verwaltungsanforderungen beim Übergang ins Hauptamt (Beispiele)

  • Dokumentation aller Maßnahmen und Entscheidungen
  • Belegsammlung / Kassenbuch
  • Für die Übergabe an Nachfolger ausreichend Zeit einplanen – die Übergabe einer eingespielten Einrichtung kann mehrere Tage dauern, da ja parallel auch weiterhin der Regelbetrieb zu bewältigen ist.

7.5 Familienzusammenführung

Die Zusammenführung von durch Kriege, Konflikte oder Naturkatastrophen im Ausland getrennten Familien ist gesetzliche Aufgabe des DRK-Suchdienstes (Suchdienst-Beratungsstellen). Bei Bedarf ist daher die für die jeweilige Örtlichkeit zuständige Suchdienst-Beratungsstelle zu kontaktieren, die dann die weiteren Schritte veranlasst und das Verfahren der Familienzusammenführung begleitet.

Aktuelle Hinweise der Suchdienst-Leitstelle stehen jeweils auf dem zentralen Datenspeicher des Landesverbandes zur Verfügung.

7.6 Stichwortliste von möglichen nicht zugeordneten Maßnahmen / Problemen

  • Begrüßungsschreiben (Deutsch, Englisch, Französisch, Arabisch) mehrsprachig erstellen, aus dem die wichtigsten Gegebenheiten für das Leben in der Unterkunft hervorgehen. Das ersetzt nicht die mehrsprachigen Erläuterungen bei der Ankunft neuer Bewohner.
  • Unterkunftsordnung erstellen
  • Schilder in Deutsch, Englisch, Französisch, Arabisch
  • Ausweis für Bewohner: kann durch die Software Ruatti.Commander aus der Registrierung heraus erstellt werden

7.7 Zu bewältigende Herausforderungen

  • zeitkritische, fachlich breite und anspruchsvolle (multiprofessionelle) Situationen („Aufbau eines Hotel für 300 Personen in 3 Tagen“ - das ist kein einfaches Zeltlager oder ein BTP-500, sondern eine Gemeinschaftsunterkunft mit Sonderfunktionen nach deutschen Recht!)
  • hohe Motivationslage
  • hohe Arbeitsintensität
  • Notwendigkeit, den Überblick zu halten
  • ungewohnte Situation
  • hoher Kommunikationsbedarf
  • Internetkommunikation (= verdeckte Belastung | Emails um 3:00!). Auch für Leitungskräfte ist es eine Forderung der Mentalhygiene, Ruhezeiten einzuhalten!
  • Die Anforderungen an Führungskräfte im Komplexen Hilfeleistungssystem setzen eine hohe Managementkompetenz insbesondere in zeitkritischen, arbeitsintensiven Situationen unter Einsatz eines breiten fachlichen Spektrums voraus. Einsätze in der Flüchtlingsunterbringung sind etwas ganz anderes, was zunächst eine geistige Einstellung auf die ungewohnte Situation mit sich bringt!

7.8 Maßnahmen, die im Einsatz möglicherweise noch in Frage kommen

  • Schichten begrenzen auf 8 Stunden (Dreischichtmodell, s.o.)
  • nach der Schicht Entlassung nach Hause - das gilt gerade auch für Führungs- und Leitungskräfte!
  • Monitoring durch Leitungskräfte, insbesondere durch Ärzte (gehört zum Aufgabenspektrum)
  • Monitoring der Einsatzleitungen durch RK-Arzt / Leitungsebene
  • Einbezug der Internetkommunikation / Telefone in Kalkulation der Arbeitsbelastung.
  • Planung und striktes Einhalten von Pausen (wie beruflich vorgeschrieben! Kommunikation auch auf Null setzen)
  • Sofort- und Blitzmeldungen gehören zur Ausnahme, sonst liegt ein schwerer Fehler vor. Das heißt: ruhig - nicht ständig alarmmäßig „auf der Flucht“ – arbeiten. Bewusst zum Abschalten auffordern.
  • Regeldienst mit gleichmäßiger Arbeitsbelastung herstellen. Bewusst Überlastungen abblocken („ungeplante Flüchtlingsankunft um 23:00“)
  • der Einsatzleiter ist auch nur 8 Stunden im Dienst. In seiner Ruhezeit tritt sein Vertreter nur selten an ihn heran.
  • Stabsmäßige Führung ist unabdingbar! (kooperativer, Aufgaben/Projekte delegierender Führungsstil)

7.9 Maßnahmen außerhalb der Einsatzsituation

  • Vorplanung von „Standardsituationen“
  • Mentales Üben von Standardsituationen
  • Schulung Arbeitsorganisation, Stressreduktion
  • Verbreiterung / Auswahl / Schulung der Führung mit multiprofessionellen Anforderungen
1)
Ergebnis der Besprechung der BezReg ARNSBERG mit den Betreuungsverbänden vom 11.09.2015
2)
§ 127 Abs. 1 Strafprozessordnung („Wird jemand auf frischer Tat betroffen oder verfolgt, so ist, wenn er der Flucht verdächtig ist oder seine Identität nicht sofort festgestellt werden kann, jedermann befugt, ihn auch ohne richterliche Anordnung vorläufig festzunehmen.“)
3)
hierzu gehören auch Duschwasserleitungen!
4)
Legionellen treten insbesondere dann auf, wenn die Liegenschaften längere Zeit unbenutzt waren und in den Leitungen „stehendes Wasser“ aufgetreten ist.
5)
sh. DVGW-Arbeitsblatt W551 von April 2004
6)
KV=kassenärzliche Vereinigung als Abrechnungsstelle der Kassenärzte
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